Freitag, 15. April 2016

Zeit für ein Fazit...

Lange war es an dieser Stelle still. Einige Zeit war nötig um die geschundenen Körper wiederherzustellen, zahlreiche Dinge aufzuarbeiten und nachzuholen, die während der Vorbereitungen liegen geblieben waren, und nicht zuletzt um über das Erlebte zu reflektieren. Mittlerweile fast vier Wochen nach der Zieldurchfahrt der finalen Etappe ist es nun jedoch an der Zeit ein Resümee zu ziehen. Auch wenn sich der ein oder andere Blogeintrag nach selbst auferlegter Folter und Qual anhörte, so war die Antwort auf die obligatorische Frage „Nochmal?“ schon kurz nach Zieleinlauf ein klares und einstimmiges „Ja!“. Allein dieser Umstand reicht als Fazit eigentlich schon völlig aus. Aber etwas ausführlicher darf es dann doch sein.

So hart es für uns war, so viel Spaß hat es uns auch gemacht. Wir durften in den acht Tagen perfekte Trails in atemberaubender Landschaft genießen, hatten viele interessante Begegnungen mit Leuten, die genau so radverrückt sind wie wir, und können auch mit dem sportlichen Resultat zufrieden sein.

Aber der Reihe nach: In den Tagen nach dem Cape Epic bin ich oft gefragt worden, was dieses Rennen so besonders macht. Eine eindeutige Antwort kann ich bis heute nicht geben. Einerseits ist es ein Etappenrennen, wie viele andere auch. Am Ende reduziert es sich immer darauf, möglichst schnell Rad zu fahren.

Trotzdem ist es anders. Die Länge der Etappen, das internationale Starterfeld, der hohe Trailanteil und nicht zuletzt die bis ins kleinste Detail perfektionierte Organisation machen das Rennen zu etwas Besonderem. Auch die sieben Nächte im Race Village waren etwas, das ich so noch nicht erleben durfte, da ich bisher Massenunterkünfte bei Etappenrennen immer gemieden habe. Hier hatten wir aber keine andere Wahl, dank guter äußerer Bedingungen und der vielen Helfer aber auch keinen wirklichen Nachteil. Wie alles gelaufen wäre, wenn das Wetter nicht so gut gewesen wäre oder uns unser Material im Stich gelassen hätte, will ich mir lieber nicht vorstellen ...

Die Rahmenbedingungen waren angesichts unserer Zwei-Personen-Minimalvariante also ziemlich optimal und so konnten wir unser selbst gestecktes Ziel einer Top 20 Platzierung recht deutlich umsetzten. Unserer Stärke war dabei unsere Konstanz über alle acht Tage. Während viele unserer Konkurrenten oft stärker schienen als wir, ließen sie auf anderen Etappen viel Zeit liegen. Wir hingegen hatten weder einen deutlichen Ausrutscher nach vorn noch eine Etappe, auf der wir wirklich viel Zeit auf unserer Mitstreiter verloren haben. Da der Abstand auf die in der Gesamtwertung vor uns Platzierten nach der finalen Etappe doch deutlich war, wäre ein besseres Endresultat wohl auch unrealistisch gewesen. So bleibt uns der 17. Gesamtrang. In unserer inoffiziellen Wertung derer, die im Zelt und nicht im Wohnmobil mit Betreuerstab übernachten, landen wir sogar auf dem obersten Podest. In einer zweiten inoffiziellen Wertung, nämlich der Minderheit der Hardtailfahrer erreichen wir hinter dem Team CST-Superior einen soliden zweiten Platz.

Neben dem Ergebnis haben wir uns vor allem über die tolle Unterstützung gefreut. Da sind natürlich unsere Sponsoren, ohne die wir unseren Start nicht hätten finanzieren können, und die beiden Lokalzeitungen Freie Presse und Blick, die unser Unterfangen in Wort und Bild vorgestellt haben. Besonders motiviert hat uns aber auch das positive Feedback, das uns über verschiedenste Kanäle erreicht hat. Vielen Dank!

Ich hoffe, ihr hattet beim Lesen dieses Blogs wenigstens einen Bruchteil des Spaßes, den wir beim Rennen hatten. Es wird hoffentlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ihr von uns hört. Eine Wiederholung ist wahrscheinlich.

Sonntag, 20. März 2016

Etappen 7: Wir sichern Gesamtrang 17

Sebastian berichtet:

Heute können wir endlich mal ausschlafen, da der Start eine Stunde später als bisher ist. An meinen einstudierten Abläufen ändert das nichts. Erst Frühstück fassen und dann ab in die Mediclinic. Da die Wundversorgung des gestrigen Tages maximal in die Hose gegangen war, nehme ich diesmal mein Schicksal selbst in die Hand und sage, was zu tun ist. Mitgebracht habe ich spezielle Pads für Blasen, die Felix in weiser Vorrausicht mit nach Südafrika geschleppt hat. Den Schwestern (und Brüdern) in der Mediclinic fallen bald die Augen raus, als sie die sehen. Die Dinger werden bestaunt und fotografiert. Möglicherweise hat der Hersteller damit einen Großauftrag fürs nächste Jahr gewonnen ...

Photo by Ewald Sadie/Cape Epic/SPORTZPICS

 Unser Ziel für heute ist klar: Gesamtplatz 17 soll auf der letzten Etappe verteidigt werden. Am Start geht’s wie erwartet richtig scharf los. Felix macht das offenbar nix aus und er hält voll rein. Ich bin nach wie vor nicht ganz auf der Höhe, wenn’s um die Kurven geht und muss danach immer heftig antreten um den Anschluss wiederherzustellen. So am Limit war ich beim Etappenstart bisher noch nie. Schnell formt sich eine Spitzengruppe mit fünf oder sechs Teams. Direkt dahinter sind wir in einer Gruppe mit ungefähr zehn Teams. Mit dabei ist kein einziges, welches uns Rang 17 noch streitig machen könnte. Es läuft also bis dahin alles perfekt. Das Tempo nimmt allmählich ab und wir erholen uns vom Startgemetzel. Irgendwann taucht plötzlich Christoph Sauser neben mir auf. „Sch****“ denke ich sofort, da er mit seinem Teampartner ursprünglich nicht in der Gruppe dabei war. Der Kerl hat natürlich die Gruppe hinter uns im Alleingang rangefahren und dort waren unsere schärfsten Verfolger in der Gesamtwertung drin. Somit wird’s wieder interessant. Aber vorerst passiert nicht viel. Es rollt gut und der Untergrund kommt meiner physischen Verfassung entgegen. Erst kurz vor der dritten und letzten Verpflegungsstelle wird wieder scharf geschossen, da das Höhenprofil nun etwas anspruchsvoller ist. Dummerweise sind zu diesem Zeitpunkt schon 60 Kilometer rum. Der 60-Kilometer-Felix kann daher bei der entscheidenden Attacke, welche die Gruppe komplett zerlegt, nicht mehr mitgehen. Zum Glück geht es unseren direkten Konkurrenten in der Gesamtwertung noch schlechter, sodass wir diese wiederum stehen lassen. Ganz zum Ende ist dann die Luft weitgehend raus – nicht bei uns, sondern an meinem Vorderrad. Damit werden die letzten Meter ins Ziel nochmal zum Eiertanz. Aber es reicht um ins Ziel zu kommen. Mit Platz 15 ist es sogar unser mit Abstand bestes Etappenresultat. Die Mission „Gesamtplatz 17“ wird damit einwandfrei erfüllt.

Die achte Etappe soll nur wenig später beginnen: Einpacken. Doch zuvor erhöhen wir noch die Länge der Schlange am Geldautomaten, an welchem der Transponderpfand mittels Einmal-Kreditkarte abzuheben ist, um einige Größenordnungen. Wir sind einfach zu blöd das Ding zu bedienen. Bei Etappe acht kommen wir anschließend psychisch ans Limit. Aber wir beißen uns ein letztes Mal durch.

Felix scheint aber für die Übernachtung versehentlich ein Gefängnis gebucht zu haben. Umringt wird das Gelände von Stacheldraht und jede Tür und jedes Fenster ist mit extra abschließbarem Stahlgitter versehen. Vermutlich ist aber der durchschnittliche Zellenwärter in Guantanamo deutlich zuvorkommender und freundlicher als die Rezeptionsdame. Vorhin haben noch zwei Dalla-Dallas eine große Menge Hochprozentiges, eine Horde Frauen und eine Handvoll Männer vorm Hostel ausgeladen, welche offenbar die anderen Zellen okkupieren. Ich fürchte, wir werden uns diese Nacht wieder ins Zelt zurückwünschen ... (Nachtrag: es wurde nur deshalb unruhig, weil ich abends irgendetwas Verdorbenes gegessen hatte ...)

Samstag, 19. März 2016

Etappe 6: Bergauf top, bergab flop

Felix berichtet: Das Cape Epic fordert seine Opfer und so war gestern einer der schwärzesten Tage auf dem Rad für mich. Daher hier eine kurze Bestandsaufnahme: Arme und Beine sind zerkratzt von den Dornenbüschen, die immer wieder in die Trails hängen. Mein Magen verweigert die Nahrungsaufnahme und mein Kreislauf schaltet noch während der gestrigen Etappe auf Notversorgung. In meiner Lunge trage ich den Staub eines ganzen Kontinents mit mir herum. Die Haut hängt mir in Fetzen von den Händen. Bei Sebastian ist sie teilweise gar nicht mehr vorhanden und nur der Handschuh trennt die Lenkergriffe vom blanken Fleisch. Ein echtes Problem, wie sich heute noch herausstellen sollte. Aber den anderen Fahrern geht es auch nicht besser. Nur wenige schaffen es, sich im Verlauf des Rennens zu steigern, oder zumindest weniger abzubauen als alle anderen. Somit fahren zumindest alle unter den gleichen Voraussetzungen. Dennoch frage ich mich beim Einschlafen, wie ich den heutigen Tag überstehen sollte und ob wir noch in die Masterskategorie ummelden können. Die dazu erforderlichen 30 Jahre war ich während der fünften Etappe allemal gealtert. Aber der menschliche Körper ist ein Phänomen und so fühle ich mich nach fast neuneinhalb Stunden Schlaf, ich habe mich bereits 19:30 Uhr schlafen gelegt, einigermaßen wiederhergestellt. Mein Schlaf wird nur vom angekündigten Regen unterbrochen, der hin und wieder auf das Zeltdach trommelt. Dennoch bleibt die befürchtete Überschwemmung im Zelt aus und auch die Wolken zeigen sich im Morgengrauen weniger regenträchtig, als es der südafrikanische Wetterdienst angekündigt hatte. Die Temperaturen während der heutigen Etappe, die über knapp 75 km und 2100 Höhenmeter führen sollte, würden auch angenehmer werden, als es in den letzten Tagen der Fall war. So greife ich das erste Mal zum Unterhemd unter meinem Trikot. Doch nicht nur was die Rennbekleidung angeht, sondern auch was unsere Renntaktik betrifft, versuchen wir etwas Neues. Wir vermeiden jegliche Belastungsspitze und rollen recht entspannt auf den ersten Metern. Das bedeutet zwar zunächst die große Gruppe noch vor dem ersten Anstieg ziehen zu lassen, doch wie erwartet haben sich einige unserer Konkurrenten übernommen und schon an den ersten Bergen des Tages sammeln wir zahlreiche Teams wieder ein. Die Taktik scheint aufzugehen. Ich fühle mich so gut wie seit dem Prolog nicht mehr und fahre ein gefühlt recht hohes Tempo ohne jemals übers Limit gehen zu müssen. Die ersten der angekündigten 20 Trailkilometer rollen auch mit dem Hardtail gut, auch wenn der nächtliche Regen die Lehmböden in Schmierseife verwandelt hat. Die sandigen Passagen hingegen fühlen sich griffiger an als im staubtrockenen Zustand. Trotz der flowigen Trails machen sich die ersten Probleme bei Sebastian bemerkbar. Die Blasen an seinen Händen lassen ein festes Zugreifen am Lenker kaum noch zu und so verlieren wir in den Downhills immer wieder Zeit, die wir zuvor in den Anstiegen mühsam herausgefahren haben. Ich fahre fast die ganze Etappe vorn. Nicht weil ich stärker bin, sondern weil es mir gut tut meinen eigenen Rhythmus zu fahren. Wir machen dennoch Boden nach vorn gut und sind nach zwei Dritteln der Etappe auf Position 20 angekommen. Ab hier wird es führ Sebastian richtig hart und wir müssen in den Downhills einige unserer direkten Konkurrenten wieder ziehen lassen. Zwar versuche ich in den Trails etwas zu bremsen, aber irgendwann verlieren wir den Kontakt zu den anderen Teams, mit denen wir zu diesem Zeitpunkt unterwegs sind. Glücklicherweise ist der Weg ins Ziel nicht mehr weit. Sebastian verflucht laut die Streckenbauer, als wir feststellen, dass dieser Weg kein leichter ist, sondern steinig und schwer. (Ich halte das zwar für ein schreckliches Lied, aber hier passt der Text wie die Faust aufs Auge…) War ich es noch der gestern Mitleid bei Sebastian hervorrief, so haben wir die Rollen heute getauscht. Aber irgendwann war sind wir dann auch über den letzten Stein der heutigen Etappe gepoltert und erreichen das Ziel auf Position 24. Wir verteidigen damit knapp Platz 17 in der Gesamtwertung und sind dem Ziel Top 20 wieder ein Stück nähergekommen. Jetzt gilt es für die morgige letzte und, zumindest auf dem Papier, leichteste Etappe zu regenerieren und Sebastians Hand zu verarzten. Dann steht einem erfolgreichen Abschluss unseres Cape Epics eigentlich nichts mehr im Weg … Photo by Ewald Sadie/Cape Epic/SPORTZPICS

Freitag, 18. März 2016

Etappe 5: Stark angefangen und stark nachgelassen

Sebastian berichtet: Als ich mich heute nach dem Frühstück zurück zum Zelt begebe, ruft mir jemand „dead man walking“ zu. Das geht ja schon mal gut los heute, denke ich mir. Dabei fühle ich mich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits die fünfte Etappe ansteht, eigentlich gar nicht so schlecht. Mein einziges Problem ist die arg zerschundene linke Hand, weshalb ich dann auch gleich der „Mediclinic“ noch einen Besuch abstatte. Ohne Fahrrad würde man mich danach wegen der Bandagen sicher für einen Boxer vor dem Kampf halten. Aber egal – Hauptsache es hilft. Felix hatte über Nacht etwas mit der Verdauung zu kämpfen. Ein weiteres schlechtes Zeichen! Dieses ignorieren wir erstmal gekonnt und starten so gut in die Etappe wie bisher noch nie. Wir sortieren uns ziemlich weit vorn ein, fahren in der Gruppe bis Platz 15. Bis zur Hälfte des Rennens läuft es wirklich außergewöhnlich gut. In einer längeren Abfahrt müssen wir dann drei Teams etwas ziehen lassen. Einerseits ist der Hardtail-Nachteil objektiv gesehen nicht wegzudiskutieren. Andererseits finde ich mit meiner lädierten Hand bergab keinen wirklichen Rhythmus. Dazu kommt noch unsere schon erwähnte Fahrtechnik-Legasthenie sowie die im Vergleich zur Konkurrenz geringer ausgeprägte Risiko-Bereitschaft. Nichtsdestotrotz ist der Zeitrückstand, den wir uns bergab einfangen recht überschaubar und sollte wieder zuzudrücken sein. Denke ich jedenfalls. Im anschließenden Flachstück ermahnt mich Felix mehrmals, nicht so zu pressen und gleichmäßig zu fahren. Mir schwant hier langsam, dass ich es wieder mit dem echten 60-km-Felix zu tun habe, denn so sehr trete ich gefühlt nicht drauf. Keine Ahnung was zu dem Rücksprung ins alte Verhaltensmuster geführt hat. Möglicherweise war es eine Kollision mit einem der hier häufig tiefhängenden Äste, die das Tragen eines Helmes unerlässlich machen? Oder die Verdauungsschwierigkeiten? Egal, alle Spekulation hilft nichts: die restlichen 33 Kilometer bis ins Ziel nach Stellenbosch werden zur Hängepartie. Felix quält sich aufopferungsvoll und es tut mir schon vom Zuschauen weh. Aber nachdem der „Mann mit dem Hammer“ gekommen ist, wird’s bekanntermaßen selten besser (außer beim invertierten 60-km-Felix, der aber offensichtlich heute nicht am Start steht). So werden wir noch bis auf Platz 25 durchgereicht. Am Ende erreichen wir das Ziel mit Müh und Not (…). Da das letzte Renndrittel zumindest nominell nicht allzu anspruchsvoll war, hält sich der Zeitrückstand auf die anderen Teams noch in Grenzen und wir rangieren immer noch auf Gesamtplatz 17. Allerdings tun wir vermutlich gut daran, morgen den Weg zum Ziel zu machen. Mal schauen, was dabei rauskommt. Meistens kommt es ja anders, als man denkt. Erstmal gilt es die kommende Nacht zu überstehen. Es ist nämlich Regen angesagt. Nach meinen Erfahrungen vor zwei Jahren, habe ich extra noch Heringe fürs Zelt mitgenommen, um die damals eingetretene Totalüberschwemmung vermeiden zu können. Leider hat der Veranstalter neue Zelte angeschafft, sodass es nur noch vier (!) Möglichkeiten zum Anbringen ebendieser gibt (die Ecken des Zeltes). Der erfahrene Camper weiß, was das bedeutet … Photo by Dominic Barnardt/Cape Epic/SPORTZPICS

Donnerstag, 17. März 2016

Etappe 4: Wir übersprinten Christoph Sauser auf dem Vorderrad

Felix berichtet: „Gehirn, jetzt sei kreativ!“, sage ich mir, als ich mich frisch geduscht mit einem Cappuccino in die Riders-Lounge setze und mich am heutigen Blogeintrag versuche. Nachdem mein Hirn, wie auch der Rest meines mittlerweile etwas zerschundenen Körpers, heute wieder gründlich durchgerüttelt wurde, tue ich mich schwer, die Ereignisse der heutigen Etappe in der richtigen Reihenfolge zusammenzufassen. Höchstwahrscheinlich begann der Tag mit dem Erwachen im luxuriösen Einmannzelt. Mittlerweile gewöhne ich mich an die Nächte im Zelt und finde schon fast erholsamen Schlaf. Das mag aber auch an den gesunkenen Ansprüchen meinerseits liegen, die sich momentan auf ein Minimum aus Essen und Schlafen beschränken. Aber wenigstens wurde unser Urlaub für heute verlängert, denn die Etappe würde mit nur 75 km die bisher kürzeste Etappe werden und wir sollten, so nix Unvorhergesehenes geschieht, noch vor 12:00 wieder im Race-Village sein. Bevor es aber so weit war, galt es dieses mit dem Start um 7:00 Uhr erst einmal zu verlassen. Wie an den vergangenen Tagen ging die Sonne kurz nach dem Startschuss auf. Zum ersten Mal seit unserer Landung in Kapstadt tat sie dies jedoch hinter einem Schleier aus Wolken, sodass die Temperaturen während des Rennens erträglich sein sollten. Noch nicht hundertprozentig munter fielen mir die ersten Meter schwer und wir entschieden uns im ersten Anstieg des Tages nicht zu viel Pulver zu verschießen. Im Vergleich zu den letzten Etappen lief es für mich heute dennoch schon von Beginn an so, wie sonst erst nach zwei bis drei Rennstunden. Nach einer kurzen Singletrailabfahrt ging es dann in einer kleinen Gruppe aus vier Teams in den zweiten Anstieg des Tages. Hier zeigte sich die niederländisch geprägte Vergangenheit der Region, denn der Anstieg trägt in Anlehnung an den Berg der Holländer den Namen Aap d’Huez. Zwar deutlich kürzer als sein großer Bruder in den französischen Alpen, verfügte er über einige Spitzkehren mehr. Nachdem wir die 29 Serpentinen im Anstieg hinter uns gebracht hatten, ohne dass uns schwindlig wurde, stürzten wir uns in den nächsten Downhill, der weitere gefühlte 1000 km Singletrail einläutete. Im ständigen auf und ab der nächsten Rennstunde festigten wir unsere Position und konnten sogar noch auf ein paar Teams vor uns auffahren. Abgesehen vom unfreiwilligen Gewichtstuning bei Sebastian in Form zweier verlorener Flaschen war der Rest der Etappe recht ereignislos. Unsere zwei verbliebenen Trinkflaschen konnten wir an der letzten Verpflegung wieder auffüllen, sodass uns, auch dank der verhältnismäßig kühlen Temperaturen, kein Nachteil aus unserem kleinen Missgeschick erwuchs. Von eben jener dritten und letzten Verpflegungsstelle befanden wir uns mit dem mehrmaligen Weltmeister Christoph Sauser und seinem südafrikanischen Partner in bester Gesellschaft. Diese genossen wir auch bis zum Ziel, wo es zum Sprint um Platz 20 kam. Im Eifer des Gefechts übersah Sebastian eine kleine Mulde im Rasen und fuhr den Sprint einige Meter nur auf dem Vorderrad. Für einen Augenblick waren die Chancen 50 zu 50, ob Sebastians Hinterrad oder sein Gesicht zuerst wieder Bodenkontakt aufnimmt. Zum Glück entschied sich das Schicksal für die erste Variante und wir konnten den Sprint gewinnen. Realistisch betrachtet haben wir zwar nicht Christoph Sauser, sondern seinen Teampartner übersprintet, aber beim Cape Epic fährt man im Team: Man gewinnt zusammen und man verliert zusammen. Daher habe ich auch keine Skrupel mir den heutigen Zielsprint gegen den ehemaligen Weltmeister als besondere Qualifikation in den Lebenslauf zu schreiben. Im Ziel war es uns dann zum ersten Mal zu kühl und wir begaben uns recht schnell zu unseren Zelten. Von dort aus leiteten wir dann die Regeneration für die morgige Königsetappe ein, was mich wieder ins hier und jetzt in der Riders-Lounge bringt. Diese füllt sich so langsam und ich beende diesen Blogeintrag, um mir einen der letzten verbleibenden Plätze auf den Matratzen zu suchen und ein Nickerchen zu machen. Photo by Nick Muzik/Cape Epic/SPORTZPICS

Mittwoch, 16. März 2016

Etappe 3: „The same procedure as every day“

Sebastian berichtet: Heute wachen wir das letzte Mal in Tulbagh auf. Die heutige Etappe wird uns nach Wellington führen, wo wir unser Zelt für die nächsten Tage aufschlagen. D. h., genau genommen wird das Zelt für uns aufgeschlagen. Nach dem Frühstück beginnt der Morgen für mich mit einem Besuch in der „Medi-Clinic“, wo man mir dankenswerterweise die Hände bandagiert. Anders käme ich mit den Blasen der vergangenen Tage heute sicher nicht ins Ziel. Der Start verläuft dann recht angenehm. Mittlerweile sind zum Glück alle etwas angeschlagen. Im ersten Trailanstieg hat Felix wieder etwas Schwierigkeiten. Das Spiel kennen wir ja mittlerweile, „the same procedure as every day“ – seine Zeit wird später im Rennen kommen. Leider hängen wir im anschließenden Flachstück zwischen „Baum und Borke“. Das Loch zur Gruppe vor uns kann ich nicht zudrücken, ohne Felix abzukoppeln. Und die Gruppe hinter uns kennen wir schon von den vergangenen beiden Tagen. Keine Ahnung was die gegen uns haben. Jedenfalls fahren die genau so lange schnell, bis sie uns haben, nehmen dann die Beine hoch und lassen uns die Führung machen. Als ob wir hier die einzigen Konkurrenten wären. Hilfreich ist das nicht wirklich. Nichtsdestotrotz ergeben wir uns vorläufig unserem Schicksal und bleiben mit der Gruppe zusammen. Zwischendurch gibt’s mal ein sogenanntes „technical terrain“. Irgendjemand hat dort kindskopfgroße Steine ausgekippt. Langsam fahren ist unmöglich, weil man da an jedem Stein hängen bleibt. Und schnell fahren ist nicht lustig für Mensch und Maschine. Aber was soll’s, „wer bremst verliert“, „wer später bremst ist länger schnell“, „Geschwindigkeit bringt Sicherheit“, etc. – immerhin sind meine Hände von diesem Punkt an taub, sodass da nix mehr wehtun kann. Ansonsten sind die Wege häufig eine einzige Sandgrube. Ein ungeeigneteres Sandspielzeug als ein Fahrrad kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke, es ist jedem auf Anhieb verständlich, dass das alles ein ziemliches Geeiere ist. Aber wir können uns nicht beschweren: die Bedingungen sind für alle gleich. Viel weiteres Nennenswertes passiert im mittleren Rennabschnitt nicht. Irgendwo schaut sich ein Pavian das Rennen vom Rand aus an. Der denkt sicher, wir haben einen an der Waffel. Wobei zumindest mein Hintern seinem nach der Etappe recht ähnlich ist – Schweiß in Kombination mit feinstem Staub tuen da ihr Übriges. Ca. bei Kilometer 60 gibt’s ein Novum beim diesjährigen Cape Epic: Ein Asphalt-Anstieg! Dieser fällt genau mit der Zündung des invertierten 60-km-Felix zusammen, sodass wir uns nun mit zwei weiteren Fahrern aus der Gruppe davonmachen können und auch noch ein Team vor uns aufsammeln. Der Rest des Rennens setzt sich aus feinsten Trails zusammen. Felix übertreibt’s aber gleich etwas und langt in den Dreck. Die initiale Befürchtung, dass es Radfahrers Liebling – das Schlüsselbein – erwischt hat, erweist sich glücklicherweise als falsch, sodass es recht schnell weiter geht. Es gibt am Ende noch ein paar Positionswechsel mit anderen Teams. Aber effektiv bleiben wir dort, wo wir sind. Am Ende ist das nach 103 Kilometern Rang 18. So kann’s doch weitergehen Photo by Gary Perkin/Cape Epic/SPORTZPICS

Dienstag, 15. März 2016

Etappe 2: Wir betreiben Schadensbegrenzung

Felix berichtet von der zweiten Etappe: Dank bester Organisation, gutem Wetter und früher Startzeit, ist für uns nach der Zieleinfahrt recht wenig zu tun. Da auch unsere Bikes die Belastungen der ersten beiden Etappen besser wegzustecken scheinen als ihre Fahrer – hier stellen sich so langsam die für Etappenrennen typischen Wehwehchen ein – ist für uns am Nachmittag nicht viel mehr zu tun, als uns in der Rider-Lounge zu entspannen und uns hin und wieder einen der überall erhältlichen Snacks zu genehmigen. Damit artet unser Cape Epic fast schon in Urlaub aus. Zumindest 19 Stunden am Tag. Schließlich sind da ja auch noch fünf Stunden Rad zu fahren, oder - wie im heutigen Fall - zu poltern. Aber der Reihe nach… Meine Nacht im Einmannzelt ist deutlich entspannter als die vorherige. Zumindest schlafe ich besser, was durchaus auch der Ermüdung der ersten Etappe geschuldet sein kann. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sorgen dafür, dass ich mich beim Erwachen um fünf Uhr morgens kurz in einer Tropfsteinhöhle wähne. Die Abwesenheit von Stalaktiten zeigt mir jedoch, dass es sich nur um Kondenswasser handelt, welches mir von der Zeltdecke ins Gesicht tropft. Im Gegensatz zum Zelt ist es draußen trocken und der Wetterbericht verspricht angenehmes Wetter: Das Thermometer sollte heute „nur“ auf knapp über 30 Grad klettern. Gestern waren es weit über 30 Grad. Das sollte uns schlechtwetter-verwöhnten Mitteleuropäern doch entgegenkommen. Von Startnervosität war auch nix mehr zu spüren und wir fühlten uns bereit für Etappe Nummer zwei. Den Draht von Weidezäunen ließen wir heute links liegen und sortierten uns zu Beginn des ersten und längsten Anstiegs des Tages am Ende der großen Spitzengruppe ein. Bis hier hin verlief alles nach Plan. Scheinbar hatte ich es jedoch verpasst, unseren Plan auch an meine Beine durchzugeben. Dies verweigerten nämlich gegen Mitte des langen Singletrailanstiegs die Arbeit völlig und ich wusste nicht, wie ich den Gipfel fahrend erreichen sollte. Zu diesem Zeitpunkt ging mir ein Zitat durch den Kopf, an dessen Urheber ich mich leider nicht mehr erinnern kann, das ich euch aber auch nicht vorenthalten möchte: „I know it’s hard and it’s okay to cry, but you can cry while pedaling.“ Geweint habe ich nicht, aber zumindest ordentlich geflucht, das aber immerhin noch fahrend. Zum Glück folgten nun einige flache Kilometer, und ich konnte mich in Sebastians Windschatten ein wenig erholen. Kurz vor der zweiten Verpflegung erreichten wie eine kleine Gruppe, die uns noch eine ganze Weile begleiten sollte. Wurde ich vor zwei Jahren noch auf Grund einiger Einbrüche nach ziemlich genau zweieinhalb Rennstunden noch als 60-Kilometer-Felix bezeichnet, wurde ich dieser Bezeichnung auch heute gerecht. Allerdings scheint der Wechsel von Rechts- auf Linksverkehr einige Synapsen zu viel umgepolt zu haben, sodass ich neben rechts von links auch Rennbeginn nicht mehr von Rennende unterscheiden kann. Warum auch immer – eine ausführliche Analyse unsererseits brachte jedenfalls kein Licht ins Dunkel – ab diesem Zeitpunkt lief es bei mir deutlich besser und ich konnte mich im Singletrailgeschlängel erstmals an der Führungsarbeit beteiligen. Mehrmals rissen wir eine Lücke zu unseren Konkurrenten, auf dem verblockten Untergrund dauerte es jedoch eine ganze Weile bis wir mit uns mit unserem Hardtail-Gepolter endgültig lösen konnten. Zu meiner Überraschung konnten wir im letzten Anstieg des Tages sogar noch einige direkte Konkurrenten aufsammeln und sahen unserer direkten Konkurrenten um eine Top-20-Platzierung weniger als eine Minute vor uns. Das Finale der Etappe bestand dann aus dem Singletrail, den ich mich einige Stunden zu vor hoch quälen musste. Kurz vor der Einfahrt in den Downhill standen noch ein paar Starter, die es gerade noch nach oben geschafft haben. Während ich im klimatisierten Zelt mit einem Cappuccino in der Hand diesen Blogeintrag verfasse, sind diese Fahrer noch einige Stunden unterwegs. Plötzlich erscheinen mir meine heutigen Leiden nur noch halb so schlimm. Aber zurück zum Renngeschehen. Hatte mich die Auffahrt traumatisiert, so war es Sebastian, dem der Downhill zu schaffen machte. Da es ihm mit den Blasen an den Händen vom gestrigen Tag schwerfiel, den Lenker festzuhalten und freihändig fahren nicht so wirklich eine Option war, galt es sicher im Ziel anzukommen und möglichst wenig Zeit zu verlieren. Da am Ende ein 21. Platz zu Buche steht und wir in der Gesamtwertung weiter unter den ersten 20 Teams platziert sind, würde ich dieses Unterfangen als erfolgreich bewerten. Wir sind weiter auf Kurs.